Ein neues Konzept im Kontext
Die multimodale Schmerztherapie bildet einen relativ neuen Zweig der Humanmedizin. In diesem Konzept geht es darum, die Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen ganzheitlicher zu gestalten und verschiedene Therapiemethoden zu verknüpfen. In der Regel findet dabei die Behandlung stationär oder teilstationär statt und häufig wird hier auch auf die Akupunktur zurückgegriffen.
Der folgende Artikel beleuchtet dabei, in wieweit die chinesische Medizin das der multimodalen Schmerztherapie zugrunde liegende Verständnis darüber, wodurch chronische Schmerzen verursacht werden und wodurch er ausgelöst wird schon seit jeher nutzt.
Der Frosch im Brunnen
Die in China sehr bekannte Fabel über den Frosch im Brunnen bietet dabei einen wunderbaren Einstieg:
Der Beschreibung nach lebte in China ein Frosch in einem Brunnen und war glücklich. Er konnte schwimmen und sein Ausblick des Himmels war grandios betrachtet vom Boden des Brunnens.
Die Ruhe des Frosches wurde erst jäh gestört, als eine Schildkröte an den Rand des Brunnens kam und verweilte. Der Frosch im Brunnen war zunächst erfreut über den Besuch und fragte die Schildkröte, ob sie nicht zu ihm in den Brunnen kommen wolle, um hier im besten Wasser zu schwimmen. Die Schildkröte überlegte kurz und erwiderte, ob der Frosch denn nicht wüsste, wie herrlich es sei, im weiten Meer zu schwimmen. Daraufhin war der Frosch zutiefst verwirrt und wusste keine Antwort, die Schildkröte wiederum ging ihrer Wege.
Später mehr dazu.
Die multimodalen Schmerztherapie der Humanmedizin
In der Humanmedizin hat sich in der Erklärung von chronischen Schmerzen das sogenannte biopsychosoziale Modell durchgesetzt, welches aufzeigt, dass chronischer Schmerz durch verschiedene Faktoren beeinflusst wird. Die Ursache der Schmerzen ist dabei nicht nur auf den eigentlichen physischen Auslöser beschränkt, sondern wird auch durch psychische und soziale Faktoren bestimmt.
Diese Faktoren sind dabei eng verzahnt. Gerade bei chronischen Schmerzen zeigt sich, dass sie einen großen Einfluss auf die Lebensqualität haben und dadurch zu einer großen psychischen Belastung für den Betroffenen werden können.
Ausgehend von diesem Verständnis kann in der multimodalen Schmerztherapie der Schmerzen nicht einseitig behandelt werden. Das heißt es müssen verschiedene Gesundheitsberufe (Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten, Psychologen) zusammenarbeiten, um dem Patienten das bestmögliche Ergebnis zu ermöglichen um Schmerzen ganzheitlich zu lindern. Allerdings räumt selbst die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. ein, dass die multimodale Schmerztherapie in der Gesundheitsversorgung eher die Ausnahme darstellt.
Schmerz in der chinesischen Medizin
Die Grundlagen der chinesischen Medizin gehen auf den Gelben Kaiser der Inneren Medizin (黃帝內經 – Huangdi Neijing, ca. 80 v. Chr.) zurück. Schon in diesem umfassenden Werk finden sich ganze Kapitel nur über die Behandlung von Schmerz. Als Ursache von akuten, als auch von chronischen Schmerzen werden in diesem Buch verschiedene Auslöser beschrieben.
Dabei waren gerade in den Ursprüngen der chinesischen Medizin die sogenannten äußeren Faktoren wie das Wetter entscheidende Auslöser von Schmerzen. Ein Beispiel dafür bildet die Wetterfühligkeit, welche gerade bei vielen chronischen Schmerzpatienten eine Rolle spielt.
Gefühle und Emotionen bilden in der chinesischen Medizin eine weitere Ursache, trennt sie doch nicht exakt zwischen Körper, Geist und Seele. Um es auf den Punkt zu bringen, Emotionen und der Körper wirken zusammen und sind eine untrennbare Einheit.
Dieser Ansatz steht allerdings nicht im Gegensatz zur Herangehensweise der Psychotherapie, sondern begreift sich als Ergänzung. Der oben erwähnte Gelbe Kaiser empfiehlt sogar explizit, Emotionen mit Emotionen zu behandeln (Yi Qing Sheng Qing 以情胜).
Wenn Gefühle ursächlich für die Schmerzen sind, handelt es sich dabei um die sogenannten inneren Faktoren. Nach der chinesischen Medizin kann dies unter anderem bei dem Krankheitsbild der Fibromyalgie eine Ursache sein.
Neben den beiden erwähnten äußeren und inneren Faktoren sind noch weitere, die sonstigen Faktoren ursächlich für Schmerzen. Dazu zählt zum Beispiel die körperliche Überlastung oder das genaue Gegenteil die Faulheit, aber auch Tierbisse sowie die Ernährung und Verletzungen.
Diese drei Faktoren können auch zusammenwirken. So ist es nicht selten so, dass nach einer Verletzung im Bereich der abgeheilten Wunde Schmerzen im Winter auftreten. Selbiges gilt für Schmerzen, welche durch Emotionen besonders intensiv werden.
Ausgehend von diesen Faktoren für akute und chronische Schmerzen kennt die chinesische Medizin fünf verschiedenen Therapiesäulen, welche je nach Notwendigkeit angewendet werden. Es handelt sich dabei um Qi Gong/Taijichuan Übungen, Akupunktur, Arzneirezepturen, Ernährungsempfehlungen sowie Tuina-Massage.
Zusätzlich zu diesen fünf therapeutischen Säulen kennt die chinesische Medizin das Yǎng Shēng (養生) Konzept. Dazu zählen alle Methoden, Ratschläge, Ernährungshinweise, Therapien und Massageanwendungen, welche das Ziel haben, den Menschen zu stärken, bevor er krank wird. Das Konzept umfasst somit alle Lebensbereiche im Physischen als auch im Psychischen.
Die multimodale Schmerztherapie der chinesischen Medizin
Es sollte deutlich werden, dass die chinesische Medizin seit ihren Ursprüngen einen im Sinne der Humanmedizin multimodalen Therapieansatz in der Behandlung von Schmerzen verfolgt.
Das biopsychosoziale Modell zeigt sich dabei in den drei Faktoren, welche in der chinesischen Medizin Schmerzen verursachen. Je nach Gewichtung findet hier eine individualisierte Behandlung statt. Die Behandlung wird dabei mit der Akupunktur, Kräutern oder der chinesischen Tuina Massage durchgeführt.
Darüber hinaus nutzte die chinesische Medizin Qi Gong/ Taijichuan Übungen als äquivalent zur Physiotherapie, dem Ausdauertraining oder Krafttraining. Außerdem sind wesentliche Aspekte des erwähnten Yǎng Shēng Konzeptes die Psychoedukation. Ziel ist es hierbei auch mental ein Umfeld zu schaffen, welches Heilung begünstigt. Die Ernährungslehre rundet das ganzheitliche Therapiekonzept der chinesischen Medizin ab.
Und der Frosch?
Ob nun die Humanmedizin oder die chinesische Medizin die Position des Frosches oder der Schildkröte einnimmt, ist eine rhetorische Frage mit Augenzwinkern.
Viel wichtiger ist die Beobachtung, dass sich in der Behandlung von Menschen mit chronischen Schmerzen beide Medizinsysteme annähern und ergänzen können, zum Wohle der Patienten. Ein wesentlicher Unterschied ist allerdings, dass die chinesische Medizin diesen ganzheitlichen Ansatz seit jeher verfolgt und hier auf ein umfangreiches Erfahrungswissen zurückgreifen kann.
Mehr Informationen zur Schmerztherapie sind im Blog Schmerztherapie in Witten zu finden.