Schlafstörungen und chinesische Medizin

Du kannst ein Bett kaufen, aber nicht den Schlaf.

– Chinesische Volksweisheit

Wie wichtig guter Schlaf ist, merkt man meist erst, wenn man im Bett liegt und kein Auge zubekommt. Wenn man bedenkt, dass Schlaf ein Drittel des Lebens ausmacht, lässt sich der Lebensalltag grob in drei Bereiche einteilen: Ein Drittel besteht aus der Arbeit, ein Drittel aus Freizeit und das letzte Drittel wird in der Regel verschlafen.

Umso bezeichnender ist es, dass es für die Bereiche Arbeit und Freizeit sehr viele Empfehlungen gibt, wie diese gesundheitlich zu gestalten sind. Schnell kann gegoogelt werden, wie man Rückenschmerzen am Arbeitsplatz lindern kann oder welche Ernährung im Winter die körpereigene Abwehr fördert. Maßnahmen wie Sport oder Medikamente sind dabei einige der Möglichkeiten.

Wie aber sieht es mit dem Schlaf aus, dem unbewussten Drittel des Lebens? Hier ist es schon nicht mehr so eindeutig. Alleine die Frage was Schlafstörungen sind und was als guter und gesunder Schlaf gilt ist schwierig zu beantworten. Dies gilt entsprechend auch für die Behandlungen oder Maßnahmen um den Schlaf zu fördern. Im folgenden sollen daher die genannte Frage beantwortet werden, insbesondere aus dem Blickwinkel der chinesischen Medizin.

Was sind Schlafstörungen und was gilt als normaler Schlaf?

Um sich dieser Frage zu nähern, ist es sinnvoll sich das Krankheitsbild der sogenannten nicht organischen Insomnie nach dem ICD-10 (einem internationalen Diagnoseschlüssel) anzuschauen. Hierbei handelt es sich um behandlungsbedürftige Schlafbeschwerden.

Nach dem ICD-10 gilt als nicht organische Insomnie, wenn Ein- oder Durchschlafprobleme mindestens für einen Zeitraum von 4 Wochen 3-mal oder häufiger pro Woche auftreten und sich die gesundheitlichen Folgen negativ auswirken. Die Symptome reichen dabei von Tagesmüdigkeit, mangelnder Konzentration, Stress, mangelndem psychischen Wohlbefinden oder die Einschränkung von sozialen Kontakten. Fast jeder Zwanzigste greift daher regelmäßig zu Schlafmitteln und nimmt dabei die Nebenwirkungen in Kauf.

Von dieser Definition ausgehend gilt für gesunden Schlaf, dass man gut Einschlafen kann und auch durchschläft. Der Schlaf als solcher ist erholsam und gibt die notwendige Kraft für den Alltag. Natürlich hat dazu jeder ein persönliches Empfinden, was für einen selbst erholsamer und regelrechter Schlaf ist. Ferner gibt es Phasen, in welchen Beeinträchtigungen des Schlafes normalerweise Auftreten wie zum Beispiel vor Prüfungen oder Bewerbungen.

Wie kann die chinesische Medizin bei Schlafstörungen helfen?

Die chinesische Medizin betrachtet in der Behandlung von Schlafbeschwerden immer den gesamten Menschen und seine aktuelle Situation. Hierfür sind verschiedene Fragen notwendig. So ist für den Therapeuten wichtig, wann genau die Beschwerden auftreten und in welcher Phase des Lebens sich der Betreffende befindet. Sind es Ein- oder Durchschlafprobleme? Wie ist es vor dem Einschlafen und wie ist das Empfinden nach dem Aufwachen? Besteht Nachtschweiß oder sind die Füße kalt? Wichtig kann zudem sein, welche Lebensmittel vor dem Zubettgehen gegessen werden und wie zum Beispiel das Leseverhalten ist. Dies ist allerdings nur eine Auswahl möglicher Fragen, denn jeder Mensch unterscheidet sich.

Durch diese Informationen ergibt sich ein persönliches Behandlungskonzept. Dieses ist notwendig um die Akupunkturpunkte und Kräuterrezepturen zielführend auszuwählen und im Laufe der Behandlung anzupassen. Mehr dazu im Bereich Behandlung.

Wie man sich selbst bei Schlafstörungen helfen kann

Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten. Ein guter Einstieg ist das Verhältnis zum Schlaf zu überdenken. Nicht für jeden gilt, dass 8 Stunden die optimale Schlafdauer ist. Daher sollten man sich nicht dazu zwingen, länger zu schlafen, als der Körper es natürlicherweise vorgibt. Wenn der Schlaf auch nach 5 Stunden erholsam ist, ist dies die persönliche Zeit.

Eine andere Möglichkeit wäre vielleicht einen Podcast oder Musik zum Einschlafen zu nutzen oder eine Lampe mit einem warmen Lichtspektrum im Schlafzimmer anzulassen. Am besten natürlich mit einer Zeitschaltuhr. Dies geht auf die Autoren John J. Ratey und Richard Manning zurück, welche in ihrem Buch Zivilisationskrank ausführlich beschreiben, wie weit uns die Zivilisation von unseren evolutionären Ursprüngen entfernt hat. Früher ist der Mensch meist in der Gemeinschaft am Lagerfeuer eingeschlafen. Daher können bestimmte Geräusche und ein warmes Licht beruhigend wirken und das Einschlafen fördern. Blaues Licht hingegen, wie es an Rechner und am Handydisplay zu finden ist, signalisieren dem Körper bleib wach. Daher gilt: Vor dem Schlafengehen, dass Handy aus lassen, es sei den mit der Option Blaufilter.

Natürlich reagiert auch das menschliche Nervensystem auf anregende Reize wie ein spannender Krimi als Lesestoff oder auf den Actionblockbuster im Fernseher. Daher gilt, bei Schlafstörungen sollte zumindest 1-2 Stunden vor dem Schlafengehen auf diese Reize verzichtet werden. Dazu ist es zu empfehlen zeitig, auf jeden Fall aber vor 24 Uhr ins Bett zu gehen. Nach Möglichkeit immer zur gleichen Zeit, der Körper gewöhnt sich an dieses Ritual und reagiert entsprechend. Dies ist auch der Grund warum Wechselschichten in der Regel als sehr anstrengend empfunden werden.

Auch die Meditation vor dem Schlafengehen kann förderlich sein. Hierfür gibt es verschiedene Anleitungen, wie geführte Meditationen oder das einfache Sitzen wie ich sie in zwei Blogs beschrieben habe:

Zur Selbstanwendung bei Schlafstörungen bietet die die chinesische Medizin noch die Akupressur. Hierbei werden Akupunkturpunkte massiert. Ein Programm dazu beschreibe ich im Blog Akupressur bei Schlafstörungen. Ein weiteres Programm Akupressur zur Beruhigung ist dort ebenfalls zu finden. Zusätzlich kann der Punkt Herz 7 massiert werden. Dieser liegt an der Arminnenseite direkt auf der Handgelenksfalte, vor dem Erbsenbein. Dieser Punkt ist der am häufigsten verwendete Punkt zur Akupressur in der Linderung von Schlafstörungen.

Herz 7 liegt direkt unter dem Erbenbein am Handgelenk.

Man ist nicht alleine mit Schlafstörungen – aktuelle Zahlen

Weltweit sind bis zwischen 10 – 30 % der Bevölkerung betroffen. Für Deutschland gilt, dass ca. jeder Zehnte unter Einschlafstörungen leidet, wobei Frauen häufiger betroffen sind. Die Häufigkeit steigt bei Frauen im Alter, wobei die genaue Ursache unklar ist. Durchschlafstörungen wiederum betreffen schon jeden vierten oder anders ausgedrückt 25% der Bevölkerung. Hier sind bezeichnenderweise mehr Männer als Frauen betroffen. Betrachtet man die absoluten Zahlen, so betreffen Schlafstörungen allgemein ca. ein Drittel der deutschen Erwachsenen. In anderen europäischen Ländern sind die Zahlen niedriger, beispielsweise in Spanien ca. jeder Fünfte und in Japan nur jeder Zehnte.

Studien zur Akupunktur und chinesischen Medizin bei Schlafstörungen

In einer Meta-Analyse, das heißt einer Untersuchung vieler Studie zum gleichen Thema, konnte eine Forschergruppe (Cao et al. 2009) nachweisen, dass Akupunktur ein wirksames Mittel in der Behandlung von Schlafstörungen sein kann. Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass die Echte-Akupunktur (Verum-Akupunktur) der Schein-Akupunktur (Sham-Akupunktur) überlegen ist (Yin et al. 2017). Echt bedeutet in diesem Zusammenhang an Akupunkturpunkten und Schein entsprechend an Arealen, welche keine Akupunkturpunkte sind akupunktiert wurde. Diese Wirkung Effekt war dabei stärker als der Placeboeffekt, wie He et al. (2018) in einer weiteren Meta-Analyse zeigen konnten. Jinhuan et al (2020) bestätigen dieses Ergebnis.

Schlafstörungen sind ein sehr häufiges Symptom von Depressionen. Bo et al. (2019) untersuchte daher in einer Meta-Analyse ob die Akupunktur eine mögliche Therapie für die Schlafstörungen bei einer Depression sein kann. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Akupunktur sowohl den Schlaf verbessern konnte, als auch die notwendige Dosis der Medikamente verringerte. Durch die verringerte Dosis wurden auch die Nebenwirkungen der Medikamente vermindert.

Chinesische Kräuter werden zusätzlich sehr häufig für Schlafstörungen verschrieben, auch wenn nach einer Meta-Analyse von Yeung et al. (2012) die Studienlage zur Wirksamkeit noch nicht eindeutig geklärt sei. Wobei eine aktuellere Meta-Analyse von Xioajia et al. (2015) hier weitere Ergebnisse zu liefert. Verschiedene Studien konnten demnach zeigen, dass die chinesischen Kräuterrezepturen den Schlaf verbessern, nicht mehr Nebenwirkungen als ein Placebo haben und die Wirkung vergleichbar mit Schlafmitteln ist.

Im Auftrag der Cochrane Collaboration führte Yeung et a. (2012) eine umfassende Meta-Analyse zum Thema Schlafstörungen und Akupunktur durch. Die Analysen der Collaboration werden in der Regel als der Goldstandard der Evidenzbasierten Medizin angesehen (EbM). Von annähernd 119 Studien, welche zur Auswertung ausgewählt wurden, wurden 76 Studien verworfen. Der häufigste Grund dafür war, dass die Studien ohne eine Placebo-Kontroll-Gruppe durchgeführt wurden. Dies ist nicht ganz unproblematisch, da bisher nicht abschließend geklärt ist, wie ein Placebo in der Akupunkturforschung überhaupt aussehen kann. Dadurch muss das Ergebnis der Meta-Analyse, dass bisher keine ausreichend guten Studien die Wirkung der Akupunktur bei Schlafstörungen nachweisen konnten, relativiert werden. Auch im Hinblick auf die neueren Meta-Analysen von He et al. (2018) und Jinhuan et al (2020).

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